Anlässlich der kontroversen Ansichten zum Thema Wiederansiedlung von "Raubtieren" (sic) in Österreich in letzter Zeit, die einerseits von Jäger- und Bauernhoden dominiert werden, macht sich
andererseits ein pseudoesoterischer Anthropomorphismus breit der genauso mit Vorsicht zu geniessen sein sollte. Also: der einen tun die Wölfe und Bären (eh schon wieder ausgerottet) leid, dem
Anderen die Schafe. Zweitere sind in dieser märchenhaften Installation ausgespart, ihre Rolle können aber die Betrachterinnen vor dem Schaufensterglas, sofern sie möchten, einnehmen.
Zum Wolf, dem Bären, dem Bauernbund und allen anderen die es betreffen könnte, zwei Märchen:
Der Wolfsmann Pankejeff (Freud)
„Mein Großvater erzählte immer eine Geschichte von einem Schneider, der bei der Arbeit saß, als ein Wolf durch das Fenster sprang.
Dem Schneider gelang es, dem Wolf den Schwanz abzureißen, und er rannte entsetzt davon. Einige Zeit später ging der Schneider in den Wald und musste auf einen Baum klettern, um einem Rudel Wölfe
zu entkommen. Der schwanzlose Wolf war unter ihnen und wollte sich rächen, also befahl er den anderen Wölfen, aufeinander zu klettern, um zum Schneider zu gelangen.
Der Schneider erkannte den Wolf und rief: „Fang den Grauen am Schwanz!“ Der Wolf, erschrocken über die Erinnerung, lief weg, und alle anderen fielen zu Boden.“,
In Freuds Bericht wachte Pankejeff in einem Zustand intensiver Kastrationsangst auf, die sich in den nächsten sechs Monaten mündlich ausdrückte : als Angst davor, von einem Wolf gefressen
zu werden.
Charles Perrault
Rotkäppchen (1697)
Es war einmal ein kleines Dorfmädchen, das wachste, das man je gesehen hatte: Ihre Mutter war verrückt nach ihr, und ihre Großmutter war noch verrückter. Diese gute Frau machte ihr ein
Rotkäppchen, das so gut zu ihr passte, dass alle sie Rotkäppchen nannten.
Eines Tages sagte seine Mutter, nachdem sie Pfannkuchen gekocht und gebacken hatte, zu ihm: „Geh und sieh nach, wie es deiner Großmutter geht, denn mir wurde gesagt, dass sie krank sei. Bring ihr
einen Pfannkuchen und diesen kleinen Topf Butter. »
Rotkäppchen machte sich sofort auf den Weg zu ihrer Großmutter, die in einem anderen Dorf lebte. Als sie durch einen Wald ging, traf sie den Wolf, der sie unbedingt fressen wollte; aber er wagte
es nicht, weil einige Holzfäller im Wald waren. Er fragte sie, wohin sie gehe. Das arme Kind, das nicht wusste, dass es gefährlich war, stehen zu bleiben und einem Wolf zuzuhören, sagte zu
ihm:,
Ich gehe zu meiner Großmutter und bringe ihr einen Kuchen mit einem kleinen Topf Butter, den meine Mutter mir mitgegeben hat .
" Wohnt sie weit weg?"sagte der Wolf. -
"Oh ! ja", sagte Rotkäppchen; "Es ist hinter der Mühle, die Sie dort drüben sehen, beim ersten Haus im Dorf."
"Also !" sagte der Wolf," ich will sie auch besuchen: Ich gehe hierhin und du dorthin; und wir werden sehen, wer früher dort ankommt."
Der Wolf begann mit aller Kraft auf dem kürzesten Weg zu rennen, und das kleine Mädchen lief auf dem längsten Weg los, wobei es Spaß daran hatte, Haselnüsse zu pflücken und den Schmetterlingen
nachzujagen. Sie band Blumensträuße aus den kleinen Blumen, die sie am Weg fand.
Es dauerte nicht lange, bis der Wolf im Haus der Großmutter ankam.
Er schlägt: klopf, klopf.
"Wer ist hier ?", fragte die Grossmutter
„Es ist das kleine Rotkäppchen“, sagte der Wolf mit falscher Stimme, „die dir einen Kuchen und ein kleines Töpfchen Butter bringt, die dir meine Mutter für dich mitgegeben hat.“
Die gute Großmutter, die in ihrem Bett lag, weil sie sich ein wenig krank fühlte, rief ihr zu:"öffne die Tür und komm herein zu mir." — Der Wolf zog den Haken und die Tür öffnete sich. Er warf
sich auf die gute Frau und verschlang sie im Handumdrehen, denn es waren mehr als drei Tage vergangen, seit er gegessen hatte.
Dann schloss er die Tür, schlief im Bett der Großmutter ein und wartete auf Rotkäppchen, das einige Zeit später an die Tür pochte: klopf, klopf.
"Wer ist hier ? "— Rotkäppchen, das die laute Stimme des Wolfes hörte, hatte zunächst Angst, antwortete aber im Glauben, dass ihre Großmutter erkältet sei:
„ Rotkäppchen bringt dir einen Kuchen und einen kleinen Topf Butter, die dir meine Mutter schickt." – Der Wolf rief ihr mit etwas sanfterer Stimme zu: „Zieh den Haken, die Haspel funktioniert.“ –
Rotkäppchen zog den Haken und die Tür öffnete sich.
Als der Wolf sie hereinkommen sah, sagte er zu ihr, während er sich im Bett unter der Decke versteckte:
"Stell den Kuchen und das kleine Töpfchen Butter auf den Tisch und komm und lege dich zu mir." Rotkäppchen zog sich aus und legte sich ins Bett, wo sie sehr überrascht war, wie ihre
Großmutter in ihrem unbekleideten Zustand aussah. —
Sie sagte:
"Großmutter, was hast du für große Arme!"
"Es geht darum, dich besser zu küssen, meine Tochter"
" Großmutter, was hast du für große Beine?"
„So ist besser laufen, mein Kind!“ —
"Großmutter, was hast du für große Ohren"
„Es ist besser zuzuhören, mein Kind!“
" Großmutter, was hast du für große Augen!"
„Es ist umso schöner, dich zu sehen, mein Kind!“
" Großmutter, was hast du für große Zähne?"-
"Es geht darum, dich zu fressen!"
Und als er diese Worte sagte,......hier bricht die Geschichte ab.
Strukturale Kapitalismuskritik #4, Geistiges Eigentum
Innerhalb großer geschichtlicher Zeiträume verändert sich mit der gesamten Daseinsweise
der menschlichen Kollektiva auch die Art und Weise ihrer Sinneswahrnehmung. Die Art und
Weise, in der die menschliche Sinneswahrnehmung sich organisiert - dass Medium, in dem
sie erfolgt - ist nicht nur natürlich sondern auch geschichtlich bedingt.
(Walter Benjamin)
Die Erfindung des Non Fungible Token ermöglicht es an sich Unverkäufliches zum Handelsobjekt zu machen. Eine Fiktion wird zur Ware. Ein schönes Beispiel für den Erfindungsreichtum der
Marketingexpertinnen aus Nichtvorhandenem Profit zu generieren. Im Fall bereits musealisierter Kunstwerke bleibt das Objekt zwar im Besitz der Allgemeinheit, nur ein digital, flüchtig-
immaterielles Abbild wird zum NFT, und kann als solches gegen Geld in Privatbesitz übergehen. Eine Art Gelddruck-Maschine auf dem Rucken der Kunst. Der Markt selbst bekommt endlich seine Aura,
und das "bildende" an der Kunst rückt in den Hintergrund, wenn es nicht ganz im Ozon verschwindet.
In der Arbeit "Strukturale Kapitalismuskritik #4 - Geistiges Eigentum" unternimmt Andreas Dworak den Versuch die Perversität dieser Perversion abermals zu pervertieren. Der Spruch "Geistiges
Eigentum ist Diebstahl", angelehnt an den Satz des französische Philosophen Pierre Prouthon "Eigentum ist Diebstahl" wird in künstlerisch gestalteter Form als NFT feilgeboten. Der Hintergrund des
Schriftblocks zeigt, stark verfremdet, den Brilliantentotenschädel Damien Hirsts. Das Projekt versteht sich dabei als eine Paraphrase des Kampfes gegen die Windmühlen bei Cervantes.
Zur Auswahl des Spruches und dessen Relevanz einige Zitate aus der von Berthold Brecht losgetretenen Diskusion zum Thema Plagiat, welche in den 1920er Jahren die Kunstwelt bewegte:
Folgerichtig ist es „selbstverständlich“, dass, das geistige Besitztum auf keine Weise mehr zu schützen (ist), die Frage ist nur, ob ein gesellschaftliches System gefunden wird, das Plagiate
verwerten kann. (Geistiges Besitztum, S. 322)
Brecht reagierte auf die Anschuldigungen lapidar mit der folgenden Erklärung (und rief mit dem letzten Satz einen Sturm der Entrüstung hervor):
Eine Berliner Zeitung hat spät, aber doch noch gemerkt, daß in der Kiepenheuerschen Ausgabe der Songs zur „Dreigroschenoper“ neben dem Namen Villon der Name des deutschen
Übersetzers Ammer fehlt, obwohl von meinen 625 Versen tatsächlich 25 mit der ausgezeichneten Übertragung Ammers identisch sind. Es wird eine Erklärung verlangt. Ich erkläre also
wahrheitsgemäß, daß ich die Erwähnung des Namens Ammer leider vergessen habe. Das wiederum erkläre ich mit meiner grundsätzlichen Laxheit in Fragen geistigen Eigentums (Eine Erklärung Brechts,
S. 315 f.)
Geistiges Eigentum ist eben so eine Sache, die in Schrebergärtchen und dergl. Angelegenheiten gehört. (S. 315)
Andreas Dworak
andreasdworak.at
ad.dworak.gmail.com